Sehr geehrte Theatergäste. Das Stück Grete Minde fällt leider aus.
Lichterloh brennt sie, die ehrenwerte Kaufmannsstadt, und nichts und niemand bleibt von der schrecklichen Verwüstung verschont. Entsetzt sucht man nach einem Schuldigen und findet ihn in der Unschuld. Mit falschem Zeugnis erhebt die märkischen Elbestadt Anklage gegen Grete Minde und richtet sie als Brandstifterin hin: so geschehen in Tangermünde zu Beginn des 17. Jahrhunderts! Fast dreihundert Jahre später gewinnen beide – Tat und Figur – Unsterblichkeit, als sich einer der großen deutschen Romanciers im 19. Jahrhundert des „brillanten Stoffes“ annimmt. Theodor Fontanes „Grete“ hat jedoch mit dem altmärkischen Vorbild nicht viel mehr als Ort, Zeit, Name und das apokalyptische Finale gemeinsam. Historische Genauigkeit ist es nicht, was die 1879 erschienene Novelle beherrscht. Ihr geht es vielmehr um „Charakter“, um Menschenschilderung, um „ein Stück Wahrheit“. Fontane scheibt von „Grete Minde, Patrizierkind, das durch Habsucht, Vorurteil und Unbeugsamkeit von Seiten ihrer Familie, mehr noch durch Trotz des eignen Herzens in einigermaßen großen Stil, sich und die halbe Stadt vernichtend, zugrunde geht.“ Auf zwei Jahre verdichtet er die Geschehnisse um sein höchst dramatisches Charakterbild und webt die Geschichte ein in ein kunstreiches Geflecht aus Sagen- und Märchenmotiven, Volksliedern und balladesken Tönen: eine berührende Reise in die schicksalhaften Verstrickungen einer jener plastischen Frauenfiguren, für die Fontanes Werk vor aller Welt ausgezeichnet ist.